Die aktuellste rhetorische Sau, die durchs politische Dorf getrieben wird, ist das "EUropäische Insolvenzrecht für Staaten". Ich habe mir dieses Geblubber nun tagelang schweigend angehört - muss aber anlässlich einiger einschlägiger Berichte dazu im Mainstream von heute einfach mal feststellen, dass diese Sau eine Chimäre ist.
Aber der Reihe nach: "Kanzlerin will verhindern, dass der Euro-Rettungsschirm zur Dauereinrichtung wird." berichtet heute das Handelsblatt in "Merkel drängt auf Insolvenzrecht für Staaten".
=> Die Botschaft hört man wohl - allein es fehlt der Glaube. Denn wenn die vom Handelsblatt zitierten Regierungskreise feststellen, "die von den EU-Staaten garantierten Kredite können nur bis 2013 vergeben werden", dann ist das zwar eine aktuell technisch-juristisch korrekte Aussage - zugleich aber eine hochgradig UNpolitische in einer real existierenden planwirtschaftlichen Politikwelt, in der opportunistisch fast JEDES fortbestehende Dauerproblem per Endlos-Verlängerung von Notfallmaßnahmen "über die Zeitschiene gelöst" werden kann! Wie bereits vor einigen Tagen festgestellt, wird der technisch tatsächlich nur bis 2013 gegründete toxische Kreditmülleimer namens "European Financial Stability Facility / EFSF" noch Politiker beschäftigen, die heute noch gar nicht geboren sind. Das ist natürlich eine Vermutung und eine Prognose - aber warum dürfen kleine Blogger nicht mal ebenso prognostizieren wie Paul der Krake. Unser "educated guessing" dürfte jedenfalls realistischer sein als das Wunschdenken der Kanzlerin, der es gemäß Regierungskreisen "wichtig" ist, "dass die Befristung bis 2013 gelte und dass für die Zeit danach klare Regeln feststehen".
Das erste Problem bei diesem Wunsch nach Klarheit ist bereits folgendes: Die EUliten haben am 8. Mai 2010 zwar die EFSF ins Leben gerufen und mit mehreren Hundert Milliarden EUR Kreditschöpfungsfähigkeit "kapitalisiert". Und wegen der Staatsbürgschaft (v.a. Deutschlands) wird dieser Mülleimer sogar ein double- oder triple-"A" Rating bekommen. Das macht diesen institutionalisierten Umgehungstatbestand der weiterhin gültigen EUropäischen No-Bailout Vorschriften aber keineswegs legaler! Die mangelnden Veröffentlichungspflichten des EFSF und die praktisch völlig fehlende demokratisch-parlamentarische Kontrolle über die in Kungelmanier an systemtreue Regierungen und Banken zu verteilenden EFSF-Gelder hatte ich schon im vorigen Blog "FTD magst ruhig sein" moniert. Mittlerweile sieht das zwar sogar die FTD SELBST im Kommentar "Europas Paulson-Moment" genauso [FTD von heute, S. 24, noch kein Link]:
"Die Zweckgesellschaft EFSF [...] ist der Albtraum jedes Verfassungsrechtlers: eine private Gesellschaft luxemburgischen Rechts, über die die öffentliche Hand für Milliarden bürgt, die erst einmal in keinem Haushalt auftauchen."
=> Leider fährt der FTD-Kommentator aber nach dieser sensationell wahren Erkenntnis dann fort: "Trotz der sinistren Struktur muss dafür gesorgt werden, dass [die EFSF] zum Zeitpunkt der Stresstests einsatzbereit ist". Und "Brüssel scheint bereit, das Staatsgeld für die Euro-Rettung direkt in die Banken zu stecken - gut so." [sic!]
Das zweite Hindernis bzgl. Merkels so ostentativ-populistischem Wunsch nach "Klarheit" und zeitlicher Begrenzung der Dauerbailouts ist folgender: die Empfängerbanken und die notleidenden PIIGSXYZ-Staaten WOLLEN keine Transparenz in diesem Prozess. Was gibt es schöneres als praktisch unbegrenzten Zugriff auf zeitlich vermutlich noch Jahrzehnte verfügbare Kredittöpfe und finanzielle Sondermüll-Eimer ohne echte Kontrolle?! In den USA haben Fed und von den dortigen "TARP"-Fazilitäten profitierenden Banken sogar erfolgreich gegen jede Veröffentlichung der Empänger der Bailoutsummen GEKLAGT und lobbyistisch agitiert! Und auch die EUliten selbst in Kommission und in all den superteuren Tausenden untergeordneten EU-Institutionen und Bürokratentempeln wollen EBENSOWENIG Klarheit oder gar Transparenz oder gar Rechenschaftspflichten! Ein (vorerst) 750-Milliarden EUR schwerer EU-Schattenhaushalt, der sich via Garantiemechanismus DERART INDIREKT aus nationalen Steuergeldern speist, dass man gar nicht erst Rechenschaft über seine Verwendung ablegen muss, ist der feuchte Traum jedes EU-Beamten, jedes SWIFT-Überwachers und jedes gutmenschlichen multikulturellen Politikgewächses, das in einer künftigen realen Nicht-EU-Welt mangels operativer Verwendungsfähigkeit garantiert auf Hartz IV oder bei den körperlich privilegierten Gewächsen auch bei der Feldarbeit wäre. Wie hieß es noch in subversiven DDR-Kreisen vor 1989: "Funktionäre und StaSi in die Produktion"!
Nein: Eine unheilige Allianz aus EUliten in Brüssel und in den PIIGSXYZ-Staaten ist kategorisch gegen "Klarheit", die -zuende gedacht- die Muttersau für ihr Einkommen selbst gefährden würde. Und die EU ist als Elitenprojekt sakrosankt.
=> So ist es denn auch kein Wunder, dass Merkels vermeintlicher Herzenswunsch nach einem klaren "Insolvenzrecht für Staaten" bereits pränatal tot ist. Merkel weiß ganz genau, dass das zwar die deutschen Bürger HÖREN wollen, dass diese Totgeburt aber nie politische Realität werden wird. Und so stellt sogar das Handelsblatt SELBST heute in der gleichen Ausgabe zurecht klar: "Für das Euro-Land Griechenland wäre die Alternative einer Umschuldung [= Teilinsolvenz] oder sogar einer Abwertung ungleich komplizierter: Die vergangenen Wochen haben gezeigt, wie groß die Ansteckungsgefahr in Europa ist und wie schnell die Märkte einen Punkt erreichen, an dem rationale Argumente nicht mehr zählen."
=> Nun, liebes Handelsblatt: die "rationalen" Argumente à la "Es wird schon gutgehen, weil es in EUROland noch immer gutgegangen ist" sind zwar höchst irrational. Trotzdem habt ihr mit der Ansteckungsgefahr natürlich recht: Das Misstrauen zB gegenüber Griechenland manifestiert sich derzeit schon wieder in Form von sehr hohen 770 Basispunkten Zinsaufschlag von GR-Bonds ggü. 10-jährigen Bundesanleihen. Wenn auch nur EIN EU-Land eine (Teil)Insolvenz mit echtem Haircut durchführen würde, dann könnte selbst das beste Merkel´sche Insolvenzverfahren die Panik bei den institutionellen Anleihefonds-Managern nicht verhindern! Jeder Pensionsfondsmanager, jeder LV-Treuhänder, jeder Geldmarktfonds-Berater, dem an seinem Job (und seinem Leben?!) etwas liegt, müsste die von ihm treuhänderisch verwahrten Kundengelder der Millionen Kleinanleger noch am GLEICHEN TAG eines Griechenland-Anleihen-Haircuts aus spanischen, portugiesischen usw. Anleihen abziehen und so unaufhaltsam das finanzielle Armageddon-Domino auslösen. Tut er es nicht, wird er am nächsten Tag eine präzedenzlose Kündigungswelle seiner LV- und Fonds-Kunden erleben. Natürlich nach dem Motto: "If you panic, panic first". Und sollte der Fonds es wagen, in dieser Situation plötzlich wie anno 2008 die einst "offenen" Immobilienfonds zum GESCHLOSSENEN Fonds zu mutieren, werden die Sicherheitsleute in den Palästen von DWS, Allianz und Konsorten die geballte Kraft von Bürgerwehren militant zu spüren bekommen. Eine derart vermeidbare Enteignung mit öffentlicher Ansage macht selbst der deutsche Spar- und Zahlmichel nicht mit!
Fazit: Ein klares "Insolvenzrecht für Staaten" wird es in EUroland niemals geben. Allenfalls denkbar sind Scheinlösungen und Volksverdummungen (wie es zB seit Jahrzehnten die d-EU-tschen und EUropäischen Einlagesicherungsfonds sind) sowie politische Rhetorik zu diesem Thema im Sommerloch.
=> Natürlich könnte es eines Tages durchaus offene Insolvenzen EUropäischer Staaten geben. Aber dann garantiert nicht "geordnet" à la Lex Merkel und wohl auch erst NACH dem endgültigen Ausschöpfen der schleichenden Enteignungmethoden Inflationierung, Monetarisierung und Börsenmanipulation. Erst wenn der deutsche Zahlmichel komplett verarmt ist, darf und WIRD das EU-Projekt sterben. Leise und geordnet wird es dann nicht geschehen. Und die Chancen, dass es am gleichen Tag auch das weltweite Papiergeld-Betrugssystem zerreißt, stehen gar nicht schlecht. Das Restvertrauen der massenmedial sedierten Bürger ist neben den Überwachungsmaschinen der Welt der einzige Kitt, der das System noch erhält. Unnatürlich ist es trotzdem. Und die Natur duldet auf Dauer keine Unnatürlichkeit...
Wie wusste John Piermont Morgan schon vor mehr als 100 Jahren: "Gold ist Geld und nichts anderes." Wohl wahr - auch wenn sein Unternehmen JP Morgan seit 1913 bis heute diesen Satz wohl kaum je einmal wiederholt hat. Jedenfalls nicht offiziell in Analysen für Kleinkunden...